Die Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Waggum
Waggum vor 150 Jahren, 200 Einwohner, durchgehend alte Fachwerkhäuser und Bauernkaten, offenes Feuer, Wasser aus dem Brunnen und Wassereimer! Brach damals ein Feuer aus, war das Haus verloren.
Grund genug, dass am 2. April 1874 in der Landesversammlung des Herzogtums Braunschweig das „Gesetz des Feuerhilfswesens“ verabschiedet und zu einer kommunalen Angelegenheit ausgerufen wurde. In Folge dieses Gesetzes und der, lt. herzogl. Order vorgeschriebenen Brandversicherung für bebaute Grundstücke, ist es im Herzogtum Braunschweig zur Gründung der Freiwilligen Feuerwehren gekommen. Noch im gleichen Jahr hat sich auch unsere FF-Waggum formiert. Als Gründungsmitglieder sind aus alten Niederschriften folgende Namen überliefert:
Aus diesen Reihen, die der FF-Waggum ihre Form gaben, wurde der Ackermann Heinrich Eggeling als erster Feuerwehrhauptmann Waggums ernannt. Unter seiner Führung stieg die Zahl der Mitglieder im Laufe der Jahre auf das Doppelte an. Bald gehörte es in Waggum zum guten Ton, als Haus- und Grundbesitzer der Feuerwehr anzugehören. In damaliger Zeit, in der man noch sehr auf die Standesunterschiede achtete, war es nicht selbstverständlich, in die „erlauchten“ Reihen der Wehr aufgenommen zu werden.
Man fragte damals: „Wer ist ER – was macht ER und was hat ER!!“ Es wurden nur Bürger Waggums mit einwandfreiem Leumund aufgenommen.
Als „technisches“ Löschgerät gehörten in der Anfangszeit simple Ledereimer für die Bildung von sog. Eimerketten zur Ausrüstung der Feuerwehr. Ein besonderes Problem war in Waggum die Bereitstellung ausreichender Mengen von Löschwasser, lag doch der Berberbach für damalige Verhältnisse sehr weit vom Ortskern entfernt. Es blieb also nur der Bau eines Feuerlöschbrunnens. Die Adresse „Feuerbrunnen“ erinnert bis heute noch daran.
Seltsamerweise entbrannte über den Bau, ein mehrjähriger Streit zwischen dem Gemeinderat (Vorsteher Bosse) und der herzogl. Kreisdirektion (1891-1893). Genau wie heute ging es auch damals um die Finanzierung der Maßnahme. Im Juni 1893 verfügte die herzogliche Kreisdirektion, dass der Feuerbrunnen aus Gründen der allgemeinen Brandsicherheit unverzüglich gebaut werden müsse. Dagegen erhob nun der Waggumer Gemeinderat Einspruch bei der Obrigkeit. Offensichtlich blieb jedoch dieses vermeintliche Veto ohne Erfolg. Am 9. Oktober 1893 wurde, auf Anordnung des Staatsministeriums, der Baumeister Gaus mit dem Feuerbrunnenbau beauftragt (Leider geht aus den alten Schriften nicht hervor, wie die Baukosten von 700,–Mark auf die Haushalte verteilt wurden und wie hoch der Anteil war, den die Gemeinde Waggum zu tragen hatte).
Nach und nach hielt auch in der Feuerwehr die Technik Einzug; so löste in den zwanziger Jahren eine Handdruckspritze mit Schläuchen die Ledereimer ab.
Die Motorisierung der Wehr erfolgte im Jahre 1935 mit dem Kauf einer Motorspritze, deren Pumpleistungen schon sehr beachtlich waren. (Damalige Kosten für das Gerät 3.400,–RM)
Im zweiten Weltkrieg wurde die FF-Waggum wie andere Wehren im Kreis Braunschweig auch, zu zahlreichen Einsätzen in das, unter schweren Bombenangriffen leidende, Braunschweig gerufen.
Nach dem Krieg ging es mit dem Feuerlöschwesen allmählich wieder bergauf. Dass die Waggumer Wehr in den Kriegswirren fest zusammenstand, ist nicht zuletzt dem damaligen Oberbrandmeister Otto Lilie zu verdanken. Er war in der Lage, die Kameradschaft der Freiwilligen Feuerwehr Waggum, mit fester Hand durch schwierige Zeiten zu führen.
Trauriger weise sind eine große Zahl von Kameraden aus dem Krieg nicht mehr nach Waggum zurückgekehrt.
Kamerad Lilie gab nach 20-jähriger Tätigkeit 1956 sein Amt an den neuen Brandmeister Willi Schade ab.
In den 50er Jahren war es üblich, dass die Kameraden ihre privaten PKW’s und die Landwirte ihre Trecker, unentgeltlich für allerlei Einsätzen zur Verfügung stellten. Vor unserem ersten Löschfahrzeug wurde Kamerad Heino Gordian auserkoren, seinen LANZ Bulldog vor die Spritze zu spannen. Das Jahr 1958 war für die Gemeinde Waggum ein, aus feuerwehrtechnischer Sicht, kostspieliges Jahr. Es ist eine neue VW-Tragkraftspritze und weiteres technisches Gerät angeschafft worden. Damit konnte eine stabile Einsatzfähigkeit sichergestellt werden.
In den 60 Jahren war es nötig, die technische Aufrüstung der Wehr weiter zu betreiben. Höhepunkt war 1965 die Beschaffung eines modernen Feuerlöschfahrzeuges. – Ein Meilenstein! –
1966 gab Kamerad Schade den „Stab des Brandmeisters“ an Kamerad Max Wagner weiter. In die Amtszeit des neuen Brandmeisters fiel die Eingemeindung Waggums, die auch den Verlust der Selbstständigkeit der FF-Waggum bedeutete. Von nun an musste in vielen Sachfragen mit der Berufsfeuerwehr der Stadt Braunschweig zusammengearbeitet werden.
Dass diese Zusammenarbeit so reibungslos verlief, ist eindeutig der Verdienst von Kamerad Wagner. Seiner Aktivität, dem Einfluss des ehemaligen Gemeindedirektors Heinz Engeler und des Kreistagsabgeordneten Sepp Schmitz ist es zu verdanken, dass die FF-Waggum noch vor der großen Gemeindereform ein neues Gerätehaus erhielt. Es wurde im Jahre 1974 der Wehr übergeben und dient seither als Unterkunft des feuertechnischen Gerätes, sowie als Treffpunkt für diverse Veranstaltungen und Kameradschaftsabende.
1975 wurde die FF-Waggum wohl zu ihrem größten Einsatz ihres Bestehens gefordert. Am 10. August 1975 um 7:00 Uhr war ein Feueralarm Auftakt zum Einsatz bei der Heide-brandkatastrophe. Unser Löschgebiet waren die Waldgebiete um die Gemeinden Westerbeck und Stüde im Landkreis Gifhorn. Bekanntlich forderte der Heidebrand einige Todesopfer in den Reihen der Freiwilligen Feuerwehren. Gott sei Dank kamen unsere Kameraden vollzählig und unversehrt in Waggum an.
Im September 1984 verstarb Kamerad Max Wagner völlig unerwartet und riss eine große Lücke in unsere Kameradschaft. Diese Lücke wurde mit der Wahl von Kamerad Robert Wolter gut ausgefüllt. Er sah sich von „heut auf morgen“ mit einem großen Problem konfrontiert – dem fehlenden Nachwuchs! Unter seiner Leitung ist es zur Gründung der Jugendfeuerwehr Waggum gekommen. Ein weiterer Meilenstein der Waggumer Feuerwehrgeschichte und ein Reservoir, aus dem die FF-Waggum bis heute schöpft. Des Weiteren ist zu würdigen, dass Kamerad Wolter die Wehr, mit teilweise auseinanderstrebenden Kräften, zusammengehalten hat. Nach sieben Jahren an der Spitze der Wehr legte er sein Amt nieder, um den Jüngeren freie Bahn zu geben.
In der Generalversammlung vom 5. Januar 1991 ist unser Kamerad Ulf-Peter Fellmann zum neuen Ortsbrandmeister einstimmig gewählt worden. (Dienstantritt Juni d. J.). Unter Führung von Kamerad Fellmann stabilisierte sich die Situation zusehends.
Ein gut funktionierendes Kommando und Erfolge bei Wettkämpfen sind, auch nach außen, sichtbarer Beweis dafür. Die guten Beziehungen einiger Kameraden zum 3. Panzer Aufkl. Batt.1 in der Husarenkaserne hatten zur Folge, dass in den 90er Jahren die Kameraden der Wehr zu zahlreichen Bataillons internen Veranstaltungen eingeladen wurden. Höhepunkte waren diverse Ausflüge nach Bergen-Hohne, wo wir hautnah die Schießübungen der Leopard-Panzer beobachten konnten.
Im Frühjahr 1996 war auch die FF-Waggum gezwungen sich mit den Hinterlassenschaften des 2. Weltkrieges zu befassen. Auf der Kippe wurde, anhand von Luftbildaufnahmen, eine scharfe englische 10 Zentnerbombe gefunden. Die Folge waren umfangreiche Maßnahmen zur Evakuierung der nördlichen Siedlungsgebiete Waggums. Eine ganz neue Erfahrung für die Feuerwehrkameraden.
Bei der Hochwasserkatastrophe im April 2002 an der Elbe sind wieder ganz andere Anforderungen an die Wehr gestellt worden. Zum ersten Mal in der Geschichte ist unsere Wehr länderübergreifend beim Hochwasserschutz zum Einsatz gekommen. Fast 29 Kameraden sind mehrere Tage an der Elbe in Wörlitz im Einsatz gewesen.
Der letzte überregionale Einsatz war das Elbehochwasser im Juni 2013 in Magdeburg. Am 4. Juni 2013 wurde die Wehr über die BF-Braunschweig alarmiert. Aufgrund der Hochwassersituation der Elbe hatte die Stadt Magdeburg, über das Innenministerium, Hilfe auch aus Braunschweig angefordert. Es galt in enger Abstimmung mit den zuständigen Stellen in Magdeburg den Einsatz zu organisieren und durchzuführen. Da sich der Katastropheneinsatz über mehrere Tage hinzog (bis zum 10. Juni 2013), sind die Kameraden der FF-Waggum in mehreren Staffeln nach Magdeburg verlegt worden.
Wiederholt wurden so Feuerwehrkameraden in Bussen zum Einsatzort gefahren. Bei diesem Ereignis hat die FF-Waggum wichtige Erkenntnisse im Umgang mit Großeinsätzen gewonnen. Während dieses Hochwasseralarmes kam auch noch die Meldung, dass im Baugebiet Bevenrode „Am Pfarrgarten“ eine Fliegerbombe gefunden worden ist. Wie sich später herausstellte, handelte es sich glücklicherweise nur um eine harmlose Stabbrandbombe.
Es war eine Zeit voller dienstlicher Aktivitäten.
Neben allen Dienstverpflichtungen kamen aber auch die gesellschaftlichen Ereignisse in den vergangenen Jahren zu ihrem Recht. Nach über 30 Jahren Pause brannte am 22. April 2000 in Waggum wieder ein großes Osterfeuer. Für alle Bürger ein tolles Erlebnis, das inzwischen auch schon wieder Tradition hat. Eine weitere kameradschaftliche Konstante waren die alljährlichen Hydrantenbegehungen, bei der eine sorgfältige Kontrolle aller Hydranten erfolgte. Da diese Begehung stets in der Vorweihnachtszeit stattfand, blieb es nicht aus, dass die Kameraden das „Nützliche mit dem Angenehmen“ verbanden. Nach dem kräftezehrenden Fußmarsch durch Waggum wurde anschließend bei unserem Kameraden Sigismund Dombrowski, in seinem „Bienenhaus“, eingekehrt. Siggi und seine Frau „Nelli“ haben die Kameraden jedes Jahr aufs vortrefflichste bewirtet, sodass die Kameraden jedes Mal eine wunderschöne Weihnachtsfeier erleben konnten. Leider hat diese schöne Tradition mit dem jähen Tode unseres Siggi’s ein Ende gefunden.
Im Januar 2010 war es dann wieder einmal Zeit für einen Generationswechsel im Amt des Ortsbrandmeisters. Kamerad Ulf-Peter Fellmann konnte aus Altersgründen nicht mehr gewählt werden. Damit ging eine sehr erfolgreiche 18-jährige Epoche zu Ende. Die Kameraden der FF-Waggum dankten ihm herzlich für sein Engagement zum Wohle unserer Wehr. Glücklicherweise stand aber schon ein junger und tatkräftiger Kamerad zur Verfügung. Kamerad Dirk Sonnemann fand sich bereit, diesen verantwortungsvollen und inzwischen auch, in vielerlei Hinsicht, sehr komplexen Dienst an der Allgemeinheit zu übernehmen. Er wurde im Januar 2010 von den Kameraden einstimmig zur Benennung zum Ortsbrandmeister der FF-Waggum, der Stadt Braunschweig, vorgeschlagen.
Da im Jahre 2010 auch das alljährliche Volksfest von der FF auszurichten war, ist der Brandmeister „in spe“, vom alten OBM Kamerad Fellmann schon verantwortlich in die Pflicht genommen worden. Mit vereinten Kräften haben die Beiden das Volksfest -wieder einmal- mit Bravour gemeistert!
Viel entscheidender für die Weiterentwicklung der FF-Waggum waren aber die Bewältigung der administrativen, technischen und auch kameradschaftlichen Herausforderungen für die kommenden Jahre.
Die Nachwuchsarbeit ist dabei ein entscheidender Punkt. Es galt und gilt, junge Menschen für den freiwilligen Dienst am Nächsten zu gewinnen. Heute noch mehr als früher, eine schwierige aber ernst zu nehmende Aufgabe.
Am 27. September 2014 wurde die Kinderfeuerwehr Waggum offiziell gegründet. Unter großer öffentlicher Beteiligung und der Teilnahme vieler Honoratioren, sind unsere „Löschflieger“ in der Waggumer Wehr begrüßt worden. Die Gründung und Leitung von Jugend- u. Kinderfeuerwehren kann heute nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn tatkräftige Sponsoren sich im Gemeinwesen engagieren. Glücklicherweise gibt es in unserem Dorf Geschäftsleute, die gewillt sind den Feuerwehrnachwuchs in aller Form zu unterstützen. – Die FF-Waggum dankt!! –
Für den dauerhaften Erfolg der Nachwuchsförderung ist jedoch die ständige und nachhaltige Arbeit mit den Kindern u. Jugendlichen nötig. Dieser Herkulesaufgabe haben sich Sarah Niederführ u. ihre Mutter Kerstin Niederführ gestellt. Wenn man sich das Programm der Kinder u. Jugendwehr, z.B. im Monat März 2015 ansieht, wird einem bewusst, mit welcher Begeisterung und mit wie viel Herzblut die beiden Führungskräfte am Werke sind. – Respekt und Hochachtung!!
Von besonderer Wichtigkeit ist aber auch der Rückhalt bei den Kameraden unserer Wehr. Jeder Kamerad ist angesprochen, den Feuerwehrnachwuchs nach allen Kräften zu unterstützen. Mit Kamerad Sonnemann hat unsere Wehr allerdings einen besonnenen und mit sicherer Hand führenden Ortsbrandmeister, der die Zukunft unserer Wehr meistern wird.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die Aufgaben und Anforderungen der heutigen Freiwilligen Feuerwehren mit denen vor 60 Jahren nicht mehr vergleichen lassen. Die Folge ist eine qualifiziertere Ausbildung der Kameraden, um die vielfältigen technischen Möglichkeiten auch tatsächlich nutzen zu können, eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz. All diese Veränderungen der vergangenen 141 Jahre hat die FF-Waggum mit Zuversicht und Mut gemeistert.
Der kameradschaftliche Dienst in unserer Wehr ist als Gegenpol zur materiellen Lebensauffassung zu sehen. Er gibt die Sicherheit, dass das, was wir im Allgemeinen als Gemeinschaftsgeist bezeichnen, wachgehalten wird. Im aktiven Feuerwehrdienst zeigt sich der tiefere Sinn der Hilfsbereitschaft, wenn es gilt, auch unter Lebensgefahr dem Nächsten Helfer zu sein.
Diese Haltung aller Kameraden ist ein Garant dafür, dass auch in Zeiten des Umbruchs ideelle Werte ihren Sinn nicht verlieren. Wie in der Vergangenheit, so steht auch heute den Waggumer Bürgern eine hoch motivierte, von bester Kameradschaft erfüllte und von der Notwendigkeit ihrer Aufgabe überzeugte Feuerwehr zur Verfügung.
Mit kameradschaftlichem Gruß
gez. Hans-H-Raake